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Smart City ist Chef­sache - Interview mit CEO Lutz Heuser

Das Thema Digitalisierung ist für viele Städte noch Neuland. Prof. Dr. Lutz Heuser berät und informiert Kommunen auf dem Weg zur Smart City. Er weiß, wie man Städte von entsprechenden Applikationen überzeugen kann und wer der richtige Ansprechpartner ist.

LutzHeuser webBis 2010 war Prof. Dr. Lutz Heuser Forschungschef von SAP und kümmerte sich intensiv um Themen rund um das Internet der Dinge. Dabei lernte er die Smart City als einen Markt kennen, der viel Raum für neue Dienstleister und Software-Unternehmen bietet. Also gründete er in 2012 sein eigenes Unternehmen mit dem Ziel, Software-Lösungen für die smartere Stadt zu entwickeln. Heute ist die Urban Institute Gruppe nicht nur Software-Haus, sondern auch ein strategisches Beratungsunternehmen für Städte. Die Gruppe umfasst vier Unternehmen in Deutschland, Ungarn, Australien und den USA. Prof. Heuser ist zudem einer der Kernberater und führenden Experten in der europäischen Innovationspartnerschaft „Smart Cities and Communities“, wo er den gesamten Bereich der nachhaltigen urbanen Mobilität verantwortet.


Mit welchen Argumenten kann man die Verantwortlichen einer Stadt am besten von den Vorteilen einer Smart-City-Applikation überzeugen?
Lutz Heuser: Man sollte auf die Pain-Points, die größten Probleme, der Städte eingehen. Wenn wir mal für einen Augenblick das Thema Flüchtlinge außer Acht lassen, dann sind das Aspekte wie Nachhaltigkeit, Energieeffizienz oder Verkehrsinfarkt. Die europäische Innovationspartnerschaft „Smart Cities and Communities“, zu deren Gründungsmitgliedern wir gehören, hat zum Ziel, die EU-Klimaschutzziele zu unterstützen. Das übersetzt sich für Städte in flüssigeren Verkehr, intelligente Energiemanagement-Konzepte und eben die Digitalisierung der urbanen Infrastruktur.


Umweltschutz ist ja vielleicht doch nicht das vordringlichste Thema bei den Kommunalverwaltungen … Was also treibt Städte dazu, Smart City zu werden?
L. H.: Unterschätzen Sie das nicht. Seit die deutsche Umwelthilfe angefangen hat, Städte wegen ihrer ständigen Überschreitung der Grenzwerte für Stickoxide zu verklagen, ist Umweltschutz kein Nice-to-have-Thema mehr. Es ist nur eine Frage der Zeit, dann werden die ersten Strafzahlungen erfolgen. Das Geld für Strafzahlungen kann man besser vorab in Maßnahmen stecken, um die Umweltziele zu erreichen.


Wie sieht das europa- oder weltweit aus? Gibt es ähnliche Organisationen wie die Umwelthilfe, die die Wache übernehmen?
L. H.: Ja, es gibt mittlerweile überall ähnliche Einrichtungen, die auch mehr und mehr politisches Gehör finden. Man unterschätzt, wie viel Druck schon jetzt auf die Städte ausgeübt wird. Köln zum Beispiel droht eine Strafzahlung in Höhe von mehreren Millionen Euro. Früher oder später trifft es jede Kommune. Das ist einfach nur eine Frage der Zeit, wobei wir nicht über Jahrzehnte reden, sondern vielleicht über einen Zeitrahmen von fünf Jahren.


Es geht also hauptsächlich darum, Kosten zu sparen?
L. H.: Es geht auch darum Kosten zu sparen. Aber es geht vor allem darum, wie man mithilfe des Internet der Dinge und von Smart-City-Ansätzen neue Dienstleistungen stimulieren kann. Damit zieht man neue Wirtschaftskraft in die Stadt und kann möglicherweise auch unmittelbare direkte Einnahmen für die Stadt generieren.


Muss der Bürger dafür bezahlen?
L. H.: Der Bürger als Privatperson voraussichtlich nicht. Unternehmen wahrscheinlich schon, da sie einen Nutzen davon haben. Ein Beispiel: Die Stadt Darmstadt sorgt dafür, dass der Verkehr flüssiger läuft und schafft die Voraussetzung, dass jedes Unternehmen Informationen über die genaue Verkehrslage in Echtzeit erhalten kann. Im Auslieferungsgeschäft kann das substanziell Vorteile bringen, indem die Touren dynamisch an die Verkehrslage angepasst werden. So kann etwa mehr mit dem gleichen Fahrzeug ausgeliefert werden. Es ist eine Effizienzsteigerung, die in Euro und Cent ermittelt werden kann. Und Unternehmen würden daher dafür die Stadt bezahlen, um diese Daten zu erhalten. Nur ein Beispiel dafür, wie man neue Finanzströme für die Gemeinden und Städte entwickeln kann.


Wer gibt in der Stadt den Anstoß für so ein Smart-City-Projekt?
L. H.: Das richtet sich auch nach der Größe der Städte. Häufig ist es der Wirtschaftsförderer der Stadt. Er überlegt, wie man das Thema Smart City gewinnbringend gemeinsam mit den lokalen Unternehmen umsetzen kann. In anderen Städten bringt der Klimaschutzbeauftragte derartige Projekte ins Rollen. Drittens gehen mehr und mehr Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf die Städte zu, weil das Thema mittlerweile sehr en vogue ist. Bei kleinen Kommunen geht die Initiative zudem auch oft vom Bürgermeister aus.
Wie werden Smart-City-Projekte heute üblicherweise finanziert? Gibt es da einen Return on Investment für Städte? Das ist natürlich die Kernaufgabe unseres Institutes. Wir sind spezialisiert auf die Entwicklung entsprechender Geschäftsmodelle, mit denen Städte einen Return on Invest generieren können.


Gibt es typische Hürden oder Schwierigkeiten, an denen Smart-City-Projekte scheitern können?
L. H.: Es gab schon einige größere Stockungen – und immer wieder ist es das Gleiche: Wenn der Bürgermeister oder der Oberbürgermeister nicht persönlich dahintersteht und die Sache vorantreibt, kommt es sehr schnell zum Erliegen. Smart City und Digitalisierung sind Chefsache.


Im Bereich Smart City gibt es inzwischen zahlreiche Start-ups. Können Sie denen einen Tipp geben, wie sie sich am Markt durchsetzen können?
L. H.: Wichtig sind Netzwerke – man muss sich entweder welche schaffen oder sich in vorhandene Netzwerke integrieren. Ich selber habe 2012, als wir das Institut gegründet haben, parallel dazu zusammen mit der Unternehmensberatung McKinsey ein Netzwerk gegründet – das Smart City Forum. Wir sind heute über 130 Mitglieder. Daraus hat sich eine Community gebildet, die letztendlich für die Mitglieder in den letzten zweieinhalb Jahren rund 100 Millionen Euro Fördersumme von EU und nationalen Förderprogrammen einwerben konnte.


Hat ein kleines Unternehmen überhaupt eine Chance neben den großen Konzernen, die ja auch zunehmend die Smart City für sich entdecken?
L. H.: Jetzt wollen Sie meine Erfolgsgeheimnisse wissen …? Also – in allgemeinen Worten: Agilität, Fokussierung und das Dritte – Liefern! Die großen Unternehmen können diese drei Punkte nur bedingt erfüllen.


Gibt es neben Ihrem Forum weitere Verbände oder Vereinigungen, in denen ein Unternehmen auf jeden Fall Mitglied sein sollte, um auf dem Smart-City-Markt erfolgreich zu sein?

L. H.: Ein anderes großes Netzwerk, mit dem wir eng verbunden sind, ist die Fraunhofer Morgenstadt Initiative. Die Mitgliedschaft kostet allerdings Geld. Hier sind auch Städte aus dem europäischen Ausland dabei. Man kann sich zudem auch an der Europäischen Innovationspartnerschaft beteiligen. Das ist ein offenes Netzwerk.


Macht das auch Sinn für Zulieferer elektronischer Komponenten?
L. H.: Auf jeden Fall! Es stürzen sich sehr viele Elektronikhersteller auf das Thema Industrie 4.0. Man kann zwar die hierfür entwickelten Komponenten zum Teil auch in Smart Cities nutzen. Aber es gibt zum Beispiel im Moment keine kostengünstigen und voll funktionierenden Umweltsensoren am Markt. Sie sind heute entweder kostengünstig oder gut … Also falls Sie jemanden kennen – da kann man gleich loslegen.


Wie beurteilen Sie den Smart-City-Markt generell?
L. H.: Er kommt jetzt mit Macht, das ist ganz klar. Ich bin zurzeit der Vorsitzende eines DIN-Ausschusses, der sich mit der multifunktionalen, integrierten Straßenbeleuchtung beschäftigt. Wir normieren den sogenannten Humble-Lamppost bis zum Ende des Jahres. Im nächsten Jahr können Städte ihre Ausschreibungen also nicht mehr für Straßenlaternen, sondern auch für Humble-Lampposts machen, wenn sie den Smart-City-Weg der Digitalisierung beschreiten wollen. Das ist natürlich auch für die Elektronikbranche wichtig, denn dort gibt es jede Menge Potenzial: Diese neue, multifunktionale integrierte Infrastruktur erfordert viel Hardware-Integration.


| Quelle: future-markets-magazine.com